Spreewaldkrimi VII : Die Tote im Weiher

TV-Movie für ZDF im Auftrag der Aspekt Telefilm

Trailer: www.youtube

Premiere

am 30. September 2014 auf dem FILMFEST HAMBURG

Erstausstrahlung ZDF

17. November 2014 als "Fernsehfilm der Woche"

Regie

Sherry Hormann

Kamera

Armin Franzen

Produzent

Wolfgang Esser / Aspekt Telefilm

Redaktion

Pit Rampelt

mit

Christan Redl, Thorsten Merten, Birge Schade, Anna Maria Mühe, Fabian Busch, Thomas Loibl, Julika Jenkins, Claudia Geisler, Rike Schäffer, Oskar Bökelmann, Winnie Böwe, Heike Jonca, Stephan Baumecker, Thomas Bestvater, Ursula Andermatt, Arnd Klawitter, Elisabeth Baulitz u.a.

Kongrade Amnesie. Das heisst, wir erinnern den Moment vor dem Ereignis und den Moment danach. Aber das Ereignis selbst bleibt auf immer verborgen."

Schnitt: Sandy Saffeels, -Ass.: Christoph Hoppe, Produktionsleitung: Hartmut Damberg, Prod.Ass.: Andrea Virnisch, Szenenbildner: Thilo Mengler, Kostüm: Marion Greiner, Aussenrequisite: André Barthel, Innenrequisite: Maren Eich, Maske: Kathi Kullack, Kitty Kratschke, Ton: Christoph Köpf, Oberbeleuchter: Timm Brückner, Junior Producerin: Dana Löffelholz, Regie-Ass.: Christopher Poth, ZDF Produktionsmanagement: Stefan Adamczyk, Filmgeschäftsführung: Dennis Reuter, 1. AL: Lena Reuter, Set-AL: Kerstin Dressler, Set-AL-Ass.: Matthias "Matze" Wegner, Set-AL-Runner: Katja Ginnow, Casting: Simone Bär, Komparsen: Max Fenner, Kamera-Ass.: Gregor Grieshaber, 2. Kamera-Ass.: Alexander Scholten, Ton-Ass.: Gregorios Pump, Beleuchter: Volker Vahl, Christof Grunz, -Ass.: Sascha Thaut, Kamerabühnen-Ass.: Adriano Baldelli, Szenenbild-Ass.: Katrin Kolbe, Baubühne: Markus Schröder, Produktionsfahrer: Andre Reinhold, Uli Tang, Script/Continuity: Candy Maldonado Agustin, SFX: Björn Friese, Catering: Faun Catering, Data-Wrangler: David Schaufert, Standfoto: Hardy Spitz, Presse: Dr. Birgit-Nicole Krebs

 

Nominierungen

DEUTSCHER PRODUZENTENPREIS auf dem FILMFEST HAMBURG
DEUTSCHE AKADEMIE FÜR FERNSEHEN: Bester Schaupieler-Nebenrolle - Thomas Loibl

 

Presse

FERNSEHMACHER DER WELT, SCHAUT AUF LÜBBENAU

von Elmar Krekeler / DIE WELT

Seit sieben Fällen ermittelt Kommissar Krüger im Spreewald. Der "Spreewaldkrimi" hält allen internationalen Vergleichen stand. Fünf Gründe, einmal im Jahr öffentlich-rechtliches Fernsehen zu schauen.

1. Der Wald

Fangen wir mal mit der eigentlichen Hauptfigur an. Der Landschaft. Dem Wald, den Fließen, den Weihern, den Katen am Rand. Grenzland, Reibefläche von Sorben und Polen, von zweierlei Deutschen. Wer immer daran glaubt, die geographische Physiognomie einer Gegend würde sich eingraben in die Menschen, ihre Erzählungen prägen, ihr Sein, findet das gespiegelt in den Geschichten der "Spreewaldkrimis", in den neuen Legenden, die der Chefautor Thomas Kirchner in den Spreewald einschreibt, in den Bildern, den Erzählstrukturen der jetzt sieben Fälle des Kommissars Torsten Krüger.

Der Spreewald ist ein magisches Feld, ein Labyrinth. Es dampft, Nebel weht auf, verwischt die Grenzen, verwischt die Zeiten. Doppelgänger scheinen möglich, all das romantische Zeug – mit den Toten reden und so. Sehr deutsch ist das. Natürlich. Neoschwarzromantisch, voll Märchen und Mythen, Fläche für Traumen und Träume.

Diese Landschaft macht alles möglich, enthebt die Geschichten vom Realismuszwang. Macht die Begegnungen mit todessehnsüchtigen Undinen möglich, fiebrigen Parsifalen, übermenschengroßen Verlierern, dunklen Göttern. Der Spreewald ist für Deutschland, was der Bayou für die amerikanischen Südstaaten ist. Ein (hoffentlich) unerschöpfliches Rückhaltebecken guter, glühender Geschichten.

2. Die Geschichten

Da ist zum Beispiel die Frau, die durch einen Wald läuft. Es ist Nacht, es nebelt. Irgendwo schreit was, und es ist kein Kauz. Sie kommt zu einem Wasser. Erleichterung huscht über ihr Gesicht, in dem blaue Augen herumgeistern, wie sie selbst eben noch zwischen den Bäumen herumirrte. Sie geht ins Wasser. Sie geht und geht. Und dann – als habe sie etwas verschluckt – ist sie weg.

So geht "Die Tote im Weiher" los, der siebte Fall für Kommissar Torsten Krüger. Der eigentlich keiner ist, weil Carola (Anna Maria Mühe) ja freiwillig zum Weiher floh. Die schuldbeladene Schlafwandlerin, die sich die Schuld gibt am Tod ihres Babys, das starb, als sie im Regen und in der Dunkelheit gegen einen Alleebaum raste, die nicht loskommt vom Schuldhaben.

Und dann sieht man einen andern träumen. Er ist der neue Star der Lokalpolitik. Ein Populist, sagen die Gegner. Er will die Bauern schützen davor, dass sie ausgeraubt werden von Banden, die über die offene Grenze kommen und ganze Fuhrparks mitnehmen. Er will ganz nach oben (seine Frau will das vor allem) und träumt, dass er bei einer Jubelveranstaltung mit Historienspektakel abgestochen wird.

So geht das immer im Spreewaldkrimi. Ein Glück wird gezeigt, ein großes Glück ganz gern gegen alle Wahrscheinlichkeit. Und dann wird es zerstört, zuschanden geritten. Und etwas dagegen gesetzt, aktuelle Politik zum Beispiel, das Erbe der DDR. Geschichten verweben sich. Die sorbische Mythologie mischt sich ein, lokale Geschichtsschreibung. Die Menschen verzweifeln an sich, an allem, kommen aus dem Labyrinth ihrer Leben nicht mehr heraus. Es kann ihnen keiner helfen.

Vergangenheit und Gegenwart verknäueln sich, verbünden sich gegen die Zukunft. Elegien großer Liebenden sind das, archaische Tragödien eines zeitlosen Heute. Geschichten, deren Ende man meist am Anfang schon kennt, die einen angreifen, ergreifen, die man nicht vergisst.

3. Der Kommissar

Torsten Krüger wohnt am Wehr, wo sich alles staut. Draußen lebt er, weil er nicht dazu gehört, ein Fremdling ist. Krüger kommt aus dem Westen. Er wollte auch mal weg, saß schon auf gepackten Koffern. Kommt aber nicht fort. Weil sich all das in ihn eingefressen hat.

Weil das Gewirr der Fließe seinem Denken entspricht, seinem Wesen. Weil er genau hier hin gehört. Und weil Christian Redl mit seiner ganzen Nosferatuhaftigkeit, mit der er – ein fahler Mond von Gesicht über einem schwarzen Trench – auf seinem schwarzen Schiff durch die Fließe fährt, nirgends jemals besser hingehört hat. Selbst ein Gespenst, einer, der ein Leben hinter sich hat, mit sich herumschleppt, dessen Geschichte sich langsam lichtet wie der Nebel im November überm Wasser. Der "Spreewaldkrimi" ist auch das Musterbeispiel eines perfekt eingesetzten horizontalen Erzählens.

Er ermittelt wie das Wasser fließt. Er findet was, ihn stört was. Und dann lässt er sich ein in den Strom der Zeiten, der Geschichten. Wie ein Rhizom wuchert es in ihm weiter, die Vermutungen, die Ahnungen über das, was geschah. Und an seinem Gesicht, dem maskenhaften, schroffen, kann man das erkennen. Er lässt die Toten nicht allein. Er gibt ihnen ihre Geschichte wieder. Torsten Krüger ist der größte Einfühler des deutschen Krimis.

Seinem eigenen Glück verweigert er sich. Vielleicht, weil ihn Thomas Kirchner in Geschichten steckt, in denen großes Glück stets in eminenter Verzweiflung endet. In die Geschichte von Carola und Karsten und der kleinen Marie zum Beispiel, die durch die Windschutzscheibe flog, weil zwei Menschen von ihrem Weg abkamen. Torsten Krüger ist eine Figur, wie sie – da sind wir jetzt mal arrogant – das amerikanische Fernsehen an menschlicher Tiefe nicht in hundert Jahren hinbekäme.

4. Die Dramaturgie

Eine Empfehlung für "Spreewaldkrimis" vorweg. Man sollte sich sonst nichts vornehmen, das Telefon klingeln lassen. Einfach sitzen bleiben. Sonst verpasst man was. Thomas Kirchners Geschichten schlagen nämlich gerne Haken, fangen irgendwo an, dann werden sie von der Vergangenheit eingeholt, erzählen da ein bisschen was, springen wieder zurück ins Jetzt, die Geschichten verfolgen sich, überlappen sich, wuchern auf allen Ebenen allmählich zusammen. Es sind versponnene Wurzelwerke, aus denen Kirchners Tragödien wachsen. War man mal weg, muss man's noch einmal schauen. Was ja kein Schade ist.

Die Bücher sind Variationen eines scheinbar unendlich flexiblen Bauplans. Sie verweigern sich der Chronologie und des schnöden Realitätsabgleichs, arbeiten mit allen denkbaren Möglichkeiten der Erzählstrangverschränkung. Was kein Kunsthandwerk ist und bisher niemals wirkte wie eine dramaturgische Masche. Das labyrinthische Erzählen dient dazu, auf kompaktem Format ein Höchstmaß an Emotion zu erreichen und gleichzeitig durch erzählerische Distanz herunterzukühlen. Ein Akt der handwerklichen Kitschvermeidung.

So lassen sich Menschenporträts formen, Geschichten vertiefen, wie es selten ist im Fernsehen. Thomas Kirchners Bücher sind ein schlagendes Argument, für Serien endlich auch in Deutschland die Position des Chefautors einzuführen. Würde manchem "Tatort"-Team beispielsweise zu unerwarteter Schlagkraft verhelfen.

5. Die Toten und ihre Mörder

Sie sollten, noch einmal sei's gesagt, sich nichts vornehmen. Im Spreewald funktioniert nämlich so einiges nicht. Dass man zum Beispiel an der Besetzung einer Nebenrolle erkennen kann, wer der Mörder ist. Das funktioniert schon deshalb nicht, weil es gern gar keinen rechten Mörder und eigentlich nicht eine Nebenrollen gibt im Spreewald.

Das war schon 2006 so, als sich Sebastian Blomberg und Anna Loos durch Krügers ersten Fall, "Das Geheimnis im Moor", gruben und in die DDR-Vergangenheit ihrer Figuren. Seitdem stakten Angela Winkler, Hinnerk Schönemann, Anne Ratte-Polle, Nadja Uhl, Henry Hübchen und jetzt eben Anna Maria Mühe durch den Wald. Menschen sah man da, keine Rollenerfüller.

Auch weil sie geführt von Regisseuren wie Sherry Horman im Fall der "Toten im Weiher", die sich auf Kirchners Konzept einlassen und seine Handschrift in ihrem Tempo, ihrer Temperatur, ihren Farben nachzeichnen. Und denen Kameraleute wie Martin Farkas, Holly Fink oder jetzt Armin Frenzen Bilder liefern, die nicht bloß abbilden, sondern Räume aufreißen.

Allein über den Lichteinfall auf Anna Maria Mühes Gesicht könnte man Essays verfassen. Oder über die Farben im Südstaaten-Drama "Mörderische Hitze" vom vergangenen Jahr, in dem Roeland Wiesnekker den besten Woyzeck spielte, den es jemals im deutschen Fernsehkrimi gab, eine Figur von geradezu monströser Eindringlichkeit.

Nehmen Sie sich also Zeit. Nehmen Sie sich nichts vor. Und legen Sie sich statt der nächsten Staffel irgendeines US-Imports den "Spreewaldkrimi" untern Baum. Gibt's beim ZDF.

© Axel Springer SE 2014. Alle Rechte vorbehalten

zum Artikel: www.welt.de

 

 

RAINER TITTELBACH

Nach dem gesellschaftspolitischen Psychodrama „Mörderische Hitze“ dringt Autor Thomas Kirchner in „Die Tote im Weiher“, dem siebten „Spreewaldkrimi“, tief und berührend in die Seelennöte seiner Protagonisten ein. Eine Mutter, die panische Angst hat. Ein Politiker, der sich Todes-Phantasien ausgesetzt sieht. Ein Kommissar, dem es schwerer fällt als gewohnt, seine Seelenruhe zu bewahren... Der Film von Sherry Hormann ist ein dramaturgisch komplexes, berührendes, schaurig-schönes Trauerspiel um Angst, Schuld, Vergebung, Liebe und den Verlust des Erinnerns. Ein Film der herbstlichen Gefühle, der dem Freund der deutschen Romantik Kopffutter bietet und durch halluzinogene Bildmontagen besticht.

Auf der Couch der Psychologin

Eine junge Frau hat sich offenbar das Leben genommen. Sie wird im Spreewald tot aus einem Weiher geborgen. Bei einem Autounfall vor fünf Jahren hat sie ihre neun Monate alte Tochter verloren. Sie selbst saß am Steuer – eine schwere Schuld lastete seitdem auf der übersensiblen Frau. Schon während der Schwangerschaft war sie in psychotherapeutischer Behandlung, da sie von der Vorahnung geplagt wurde, ihr Kind werde sterben. Auch ein aufstrebender Provinzpolitiker, der von bedrohlichen Träumen und Todesängsten heimgesucht wird, ist Patient in derselben Praxis. Und selbst Kommissar Krüger findet des Öfteren den Weg zu jener Frau Dr. Trumaschek, da er glaubt, dort neben Psychologenstuhl und Patientencouch Antworten auf den mysteriösen Todesfall zu bekommen, hinter dem vielleicht doch kein Suizid steht. Bei der Obduktion jedenfalls stieß man auf halluzinogene Pilze.

Der Spreewald und die angeschlagenen Seelen

Nach „Mörderische Hitze“, dem mehrfach preisgekrönten „Spreewaldkrimi“, der ein gesellschaftspolitisches Psychodrama erzählt, dringt „Die Tote im Weiher“, der siebte Film der ZDF-Reihe, vor allem tief und berührend in die Seelennöte seiner Protagonisten ein. Da sind Menschen, die von Schuldgefühlen zerfressen werden, die getrieben werden von ihrem Gewissen. Eine Mutter, die Angst hat und darunter leidet, dass ihr eine lebenswichtige Erinnerung fehlt. Ein Politiker, der sein Ehrenwort gibt und sich in seiner Haut und seinem Heim nicht mehr zuhause fühlt. Da sind Menschen, die etwas erahnen oder vorhersehen. Eine Psychologin, die ihr Wissen zurückhält. Und ein Kommissar, der die psychotherapeutische Praxis – ganz bewusst – mit einem Zögern betritt. Er überschreitet eine Schwelle nicht nur in Bezug auf das Leben der toten Mutter, sondern auch in Bezug auf seine eigene Biographie. Auch er hat schon so seine Erfahrungen gemacht mit diesen Klempnern der Seele.

Märchenwald-Romantik und Wahrnehmungsmodi

Mehr noch als andere der stets sehr assoziativ und suggestiv erzählten „Spreewaldkrimis“ erschafft sich „Die Tote im Weiher“ eine eigene Wirklichkeit – und wirkt der (physischen) Realität seltsam enthoben. Motive und Metaphern der deutschen Romantik beleben das Szenario von Autor Thomas Kirchner: das erwähnte „Überschreiten einer Schwelle“, der Wald, der durch den Traum zum Märchenwald mutiert, der starke Hang zur Innerlichkeit und zum Ominösen, das Verschwimmen von Realem und Einbildung. Die Inszenierung von Sherry Hormann fällt dementsprechend rätselhafter und etwas dunkler aus, sie ist getragener als beispielsweise die der letzten in hipper, amerikanischer Bildästhetik gestalteten Episode von Kai Wessel. Entscheidend für die Wirkung des Films – das ist ja das Alleinstellungsmerkmal der „Spreewaldkrimis“ – ist die verschachtelte (keineswegs zu chiffrierte) Dramaturgie mit ihren Sprüngen durch die Zeiten. In den Geschichten der ZDF-Reihe wird alles zu einer Frage der Wahrnehmung. Das unchronologische Erzählen ermöglicht neue „Verknüpfungen“ im Kopf des Zuschauers. Die Inhalte werden beim Sehen anders akzentuiert. Das Haupt-Augenmerk fällt hier nicht mehr auf das, was man Handlung nennt, sondern auf Stimmungen, auf Zwischentöne im Umgang der Menschen, auf filmsprachlich erzeugte Atmosphäre.

Die Aura des Fiktionalen schwingt ständig mit

Das, was Kirchner uns hier über den Zeitraum von fünf Jahren erzählt, würde im Rahmen der klassischen linearen Dramaturgie überaus konstruiert erscheinen. Auch wäre ihr krimitypisch starrer Blick auf den Ausgang kontraproduktiv in Bezug auf die (Seelen-)Tiefe der Figuren. Das Springen durch die Zeiten, diese „unrealistische“ Erzählstruktur, hat zudem den Vorteil, dass dem Zuschauer unterschwellig deutlich vermittelt wird, dass er sich hier in einem Film befindet, für den ein Autor eine erfundene Geschichte in eine künstlerische Form gebracht hat. Die Aura des Fiktionalen, die der Stoff deutlicher atmet als ein durchnittlicher TV-Krimi, wird dadurch noch verstärkt. So dürfte selbst der größte Realitätsfetischist nicht mit dem Vorwurf „unglaubwürdig“ oder eben „überkonstruiert“ gegen den Film argumentieren. Diese Durchdringung der Zeiten erzeugt außerdem Distanz zum Geschehen. Bei der emotionalen Story von der in eine Angstpsychose treibenden Mutter hilft das somit, die Berührung des Zuschauers nicht ins Rührselig-Dramatische abdriften zu lassen. Hormann und vor allem Episoden-Hauptdarstellerin Anna Maria Mühe setzen auf Emotion und Empathie, die kluge Dramaturgie sorgt dafür, dass die Geschichte nicht in einem Meer der Tränen untergeht.

Fazit: „Die Tote im Weiher“ ist ein dramaturgisch komplexes, emotional berührendes, schaurig-schönes TV-Trauerspiel um Angst, Schuld, Vergebung, Liebe und den Verlust des Erinnerns. Ein Film der herbstlichen Gefühle, der vor allem dem Freund der deutschen Romantik Kopffutter bietet und durch seine halluzinogenen Bildmontagen besticht, die das Motiv der Erinnerung geradezu selbstreferentiell thematisieren. (Text-Stand: 26.10.2014)

zum Artikel: www.tittelbach.tv

 

 

KINO.DE

Im Schatten der populären Samstagstitel "Bella Block", "Stubbe - Von Fall zu Fall" oder "Ein starkes Team" haben sich die montags ausgestrahlten "Spreewaldkrimis" zu einer der besten deutschen Krimireihen entwickelt.

Der Star ist nicht der Kommissar, sondern der Schauplatz. Möglicherweise könnten die Geschichten von Thomas Kirchner auch anderswo gedreht werden; aber hier, in den Südosten Brandenburgs, gehören sie hin. Dank kongenialer Regisseure tragen die Filme zudem immer wieder eine neue Handschrift. Auf u.a. Thorsten C. Fischer, Roland Suso Richter und Kai Wessel folgt nun Sherry Hormann, und auch ihr gelingt das Kunststück, dem Geist der kürzlich von der Deutschen Akademie für Fernsehen mit Preisen überschütteten Reihe treu zu bleiben und trotzdem eigene stilistische Akzente zu setzen.

Markenzeichen der stets von Wolfgang Esser produzierten Spreewaldkrimis ist die komplexe Rückblendenkonstruktion, mit deren Hilfe Kirchner die Unausweichlichkeit des Todes beschreibt. Auf diese Weise spitzt sich die Spannung zweifach zu: in der Gegenwart, weil Kommissar Thorsten Krüger (Christian Redl) der Wahrheit auf der Spur ist; und in der Vergangenheit, weil der Zeitpunkt des Todes immer näher rückt. Zur Herausforderung wird dieses Konstrukt, weil Kirchner auch innerhalb der Rückblenden mehrfach die Zeitebenen wechselt. Auf diese Weise erklärt das Gestern das Heute und das Vorgestern das Gestern; und man versteht, warum für eine Frau allein das alles verschlingende Schwarz Erlösung versprach.
Der Arbeitstitel des Films lautete "gestern heute morgen", aber ein Morgen wird es für Carola Kubitz (Anna Maria Mühe) nicht geben. Der Prolog ist daher die perfekte Einstimmung auf die Geschichte, die immer wieder von Horrorfilmelementen durchsetzt ist: Eine junge Frau rennt durch ein nächtliches Waldgelände, erreicht schließlich einen kleinen See, watet ins Wasser - und verschwindet. Ähnliche Momente wird es später immer wieder geben, und sie werden sich regelmäßig als Alptraum der Frau erweisen. Die ersten Bilder aber waren kein Traum. Carola Kubitz hat sich das Leben genommen, weil sie ihre Schuld nicht länger ertragen konnte: Vor fast auf den Tag genau fünf Jahren hatte sie auf regennasser Straße einen Unfall, bei dem ihre kleine Tochter ums Leben gekommen ist. Das Ereignis ist allerdings aus ihrem Gedächtnis gelöscht, so sehr sie sich auch mit Hilfe einer Psychiaterin (Birge Schade) bemüht hat, den Ablauf des Unfalls zu rekonstruieren. Je intensiver sich Krüger mit dem Fall beschäftigt, um so überzeugter ist er, dass die Mutter keine Schuld traf: weil sie womöglich einem Auto ausgewichen ist, das wegen überhöhter Geschwindigkeit auf ihre Fahrbahn geraten war. Diese Straftat, fahrlässige Tötung mit Fahrerflucht, verjährt jedoch nach fünf Jahren; Krüger bleiben nur noch 48 Stunden.

Der Wettlauf gegen die Zeit steigert die Spannung natürlich nochmals, aber Kirchner und Hormann haben es gar nicht nötig, mit Hilfe von Uhrzeiten oder entsprechenden Dialogen so etwas wie ein Countdown-Gefühl herzustellen. Der Film konzentriert sich vielmehr darauf, die Charaktere der handelnden Figuren auszuloten, zu denen neben dem eigenbrötlerischen Kommissar auch die Therapeutin, der Witwer (Fabian Busch) sowie ein aufstrebender Kommunalpolitiker (Thomas Loibl) gehören. Er ist ebenfalls Patient der Psychiaterin, auch er leidet unter regelmäßigen Alpträumen, in deren Verlauf er bei einer demnächst stattfindenden Laienspielaufführung erstochen wird.

Neben der verschachtelten Erzählweise und den ausgezeichneten Dialogen ist die regelmäßig herausragende Bildgestaltung ein weiteres Merkmal der "Spreewaldkrimis". Auch "Die Tote im Weiher" ist exzellent fotografiert (Armin Franzen); gerade die vom nächtlichen Nebel durchwaberten und sich unvermittelt blutrot färbenden Waldbilder sind schauderhaft schön und sorgen für manchen Gänsehauteffekt. tpg.

zum Artikel: www.kino.de